Der 10. Juli 1956 ist ein schlimmer Tag für Idstein und Umgebung.
An diesem Tag fällt zwischen 17:30 Uhr und 18:50 Uhr ein Niederschlag
von über 100 l/m2
(wesentlich mehr als durchschnittlich in einem Monat).
Bei einem Einzugsgebiet von annähernd 12 km2 ergeben sich so ungeheure Wassermengen.
Als die ersten Straßen unter Wasser stehen, löst Bürgermeister Schreier Alarm aus. Mit großer Geschwindigkeit rollt kurze Zeit später eine schlammige Flutwelle von Süden her in Richtung Innenstadt.
Zuerst wird das Kalmenhof- Gelände geflutet. Hier steigt das Wasser 4,50 Meter hoch. In
minutenschnelle sind die Straßen der Innenstadt zwei Meter hoch überspült.
Alle beweglichen Utensilien werden mitgerissen. Autos, Lastwagen, schwere Fässer, Kessel und Tanks. Schaufenster bersten unter der Wucht des Wassers und des Treibgutes.
Telefonleitungen sind überlastet oder blockiert, so dauert es über eine Stunde bis der Feuerwehreinsatz organisiert werden kann.
Bezirksbranddirektor Möbius gelangt mit einem Spezialfahrzeug durch die Rodergasse zum Rathaus und leitet von hier aus den Einsatz.
Feuerwehren aus Bad Schwalbach, Bleidenstadt, Esch, Eschenhahn, Hahn, Hofheim, Neuhof, Wehen,
Wiesbaden-Biebrich und Wörsdorf sowie die Berufsfeuerwehr von Wiesbaden sind vor Ort. Nur schwimmend können die Wehrleute und die Polizei an die Rettung gefährdeter Menschen und an die Bergung des Viehs
gehen.
Es ist jedoch zunächst nicht möglich, Sachwerte zu retten, zumal das Wasser noch lange steigt.
Der Landrat des Untertaunuskreises, Dr. Vitense, begibt sich sofort ins Katastrophengebiet, als mit Löschfahrzeugen der erste Durchbruch zur Innenstadt
gelingt.
Auch der hessische Innenminister informiert sich vor
Ort.
Als das Wasser sinkt, wird deutlich, dass der Schaden in die Millionen geht. Alle Geschäfte und Fabrikbetriebe in der Innenstadt sind zerstört.
Zum Glück sind wie durch ein Wunder keine Menschen ums Leben gekommen. Allerdings ertranken viele Nutztiere.
Vor allem die Lederfabriken von Idstein sind vom Ruin bedroht. Ihre Kohle- und Häutevorräte wurden
weggeschwemmt. Die Straßen richen nach Gerblohe und Chemikalien.
Die alten Pflasterstraßen im Stadtgebiet sind aufgerissen, unterspült, die Kellerfundamente teilweise freigelegt. Technischen Trupps und Baufachleute kümmern sich um die Sicherung der Fachwerkhäuser, die vom Einsturz bedroht sind.
Kreisbrandinspektor Karlheinz Reichert stellt später Zahlen zusammen:
123 Stunden lang waren insgesamt 213 Männer von 13 Feuerwehren und 18 Pumpen im Einsatz. Diese 18
Pumpen saugten in der Minute 16.000 Liter Wasser.
Da keine von ihnen ausfiel wurden nahezu 120.000 Kubikmeter Wasser aus Kellern und Häusern gepumpt.
Quellen: Karl Hartmann, Stefan Gärth, Idsteiner Zeitung
Nach dem Hochwasser
Betroffen war auch Bauer Schütz
Schulgasse, Blick Richtung ehem. Grunerschule (oben), in Richtung Altstadt (unten)
Am 12. Juli 1956 berichtet die Idsteiner Zeitung in mehreren Artikeln über die Katastrophe
Auch amerikanische Truppen halfen nach dem Hochwasser
Ecke Schulgasse/ "Am Hexenturm" nach dem Aufräumen und im Winter drauf.
Idsteiner Zeitung vom 13.01.1960: Das Haus neben dem Hotel "Zum Tal" auf dem Marktplatz (unten eine Aufnahme aus den 30er
Jahren) wurde 1960 abgerissen, damit - wenn sich ein so extremes Hochwasserereignis wiederholt- die Wassermassen aus der Stadt herausfließen können.
Heute mündet hier die Straße "Am Hexenturm".
Hochwassermarken zeugen heute von diesem Ereignis:
Oben: An der Gaststätte "Zum Taunus", Ecke Felix-Lahnstein-Str./ König-Adolg-Platz,
unten: Ecke Schulgasse/ König-Adolf-Platz
Auch die Hochwasserrückhaltebecken am Wolfsbach (oben) und am Wörsbach (unten) sollen verhinden, dass es wieder Überschwemmungen in einem solchen Ausmaß gibt.
Von einem kleineren Hochwasser in Idstein im Jahr 1942 wurden sogar Filmaufnahmen überliefert.